Mittwoch, 13 November, 2024

Erste Hilfe: Zahnunfall beim Kind – was tun?

Zahnunfall: Fakten, richtiges Verhalten, Langzeitfolgen

Warum ist das Wissen über Zahnunfälle so wichtig? Zahnunfälle nehmen in ihrer Häufigkeit weltweit zu. Bereits jedes dritte bis vierte Kind hat bis zu seinem 16. Lebensjahr einen Zahnunfall erlitten. Meist sind durch einen Unfall die oberen Schneidezähne betroffen, das Aussehen ist erheblich beeinträchtigt. Zahnersatz ist aufwendig und teuer.

Die volkswirtschaftlichen Folgekosten nach einem Zahnunfall belaufen sich in Mitteleuropa auf etwa 5 Mio. € pro Jahr pro Million Einwohner. Die individuellen Folgekosten nach Verlust eines Frontzahnes in jungen Jahren werden auf lebenslang etwa 10.000€ -20.000€ geschätzt. Kosten, die nur zum Teil von den Kostenträgern (z.B. Krankenkassen) übernommen werden.

Durch richtiges Verhalten nach Zahnunfällen können die Folgen beträchtlich gemildert werden. Leider ist das Wissen darüber in der Bevölkerung völlig unzureichend und auch in der Zahnärzteschaft nur unvollkommen verbreitet.

Verhalten nach einem Zahnunfall

Etwa 20-30% der Kinder und Jugendlichen haben bis zum 16. Lebensjahr einen Zahnunfall erlitten. Vornehmlich sind die oberen Frontzähne betroffen – also Zähne in ästhetisch höchst empfindlicher Region. Von äußerlich nicht sichtbaren ”Erschütterungen” eines Zahnes oder Brüchen einer Zahnwurzel über abgebrochene Zahnkronenstücke bis zum vollständigen Ausschlagen eines oder mehrerer Zähne reichen die Beobachtungen. Zu aktuellen Behandlungsmöglichkeiten.

Ist das Wissen über das richtige Verhalten nach einem Zahnunfall in der Bevölkerung bekannt, können die meisten der durch Unfall geschädigten Zähne dauerhaft erhalten werden. Den Unfallopfern bleiben erhebliche Leiden und viele Zahnarztbesuche erspart. Für die Volkswirtschaft ergeben sich Einsparungen in enormer Höhe.

Was passiert nach unfallbedingtem Zahnverlust?

Nach einem Zahnverlust wird der zahntragende Knochen nicht mehr benötigt, er wird in Höhe und Breite recht schnell abgebaut. Auch Zahnfleisch geht verloren. Die Nachbarzähne kippen in die Lücke, Zähne aus dem Gegenkiefer wachsen aus diesem heraus und in die Lücke hinein. Das gute Aussehen leidet, die Ästhetik ist erheblich gestört. Die Aussprache leidet. Daher müssen Lücken umgehend versorgt werden.
Wird eine Brücke angefertigt, steht der ersetzte Zahn oft vor dem Kiefer, weil der Knochen zusammengefallen und auch normales Zahnfleisch verloren gegangen ist. Der Zahn “wächst nicht aus dem Zahnfleisch heraus” und sieht damit nicht natürlich aus. Soll die Lücke z.B. mit einem Implantat versorgt werden, erfordert dies zusätzliche aufwendige und teuere Operationen, um den verlorenen Knochen und das verlorene Zahnfleisch erst wieder aufzubauen.

Warum ist der Zahnerhalt für Kinder und Jugendliche so besonders wichtig?

Nach einem Zahnverlust durch einen Zahnunfall sind bis zum weitgehenden Abschluß des Körper- bzw. Gesichtswachtums i.d.R. keine sinnvollen, d.h. endgültigen, umgehenden, schnellen Versorgungen der Zahnlücke (z.B. Brücken, Implantate) möglich. Hilfsweise müssen meist Prothesen getragen werden.

Es kommt zu einem dramatischen Knochen- und Zahnfleischverlust. Spätere Behandlungen sind sehr erschwert, aufwendiger und deutlich teurer. Die Ausformung der Kiefer wird behindert. Das Aussehen und die Sprache werden gerade in der wichtigen Zeit der Pubertät erheblich beeinträchtigt. Psychische Problemen können resultieren.

Es ist deshalb von höchster Wichtigkeit, daß gerade Kindern und Jugendlichen unfallverletzte Zähne wenn irgend möglich erhalten werden!

Was passiert nach Zahntrauma?

Ein Zahn besteht aus verschiedenen Anteilen: Den Zahnhartgeweben (Schmelz, Dentin, Zement) und der Zahnpulpa (“Zahnnerv”). Der Zahnnerv wird von Blutgefäßen und Nerven durchsetzt.
Das Parodont (der Zahnhalteapparat) besteht aus Zahnzement (braun), das die Zahnwurzel bedeckt, speziellen Haltefasern und dem Zahnfachknochen (Alveolarknochen). Die Fasern ziehen vom Zahnzement zum Knochen des Zahnfaches und hängen den Zahn im Knochen auf. Jeder gesunde Zahn ist deshalb ein bißchen beweglich. Zellen in der Wurzelhaut auf der Zahnwurzeloberfläche sorgen dafür, daß die Fasern am Zahn verankert sind. Andere Zellen können Haltefasern aufbauen oder reparieren. Durch einen Zahnunfall können die Zahnhartgewebe, aber auch der angrenzende Knochen brechen. Die Blutgefäße, die die Pulpa versorgen, können platzen oder abreißen; die Pulpa kann absterben. Im Zahnhalteapparat können die Haltefasern zerreißen, die hier liegenden Zellen können gequetscht werden und absterben. Wird ein Zahn ganz ausgeschlagen, und wird er nicht richtig gerettet, sterben so viele dieser wichtigen Zellen innerhalb von 20 bis 30 Minuten ab, daß der Zahn nach dem Zurückpflanzen nur eine begrenzte Überlebenszeit hat.

Nach dem Unfall muß umgehend ein Zahnarzt aufgesucht werden. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind wichtig, damit Komplikationen sofort erkannt und Behandlungen begonnen werden können.

Was ist zu tun nach einem Zahnunfall?

Nach einem Zahnunfall muß umgehendein Zahnarzt/eine Zahnärztin aufgesucht werden. Diese werden den Patienten untersuchen und die Verletzungen genau dokumentieren. Bei Bedarf werden sie die notwendigen Behandlungen einleiten. Achtung: Engmaschige Kontrollen sind wichtig, damit auftretende Komplikationen (z.B. verzögertes Absterben eines Zahnnerven) erkannt und behandelt werden können. Das kann bereits durch die Erschütterung eines Zahnes eintreten – ohne daß äußerliche Zeichen darauf hindeuten. Es kann immer zu Folgeschäden kommen – bis zum Zahnverlust!

Insbesondere bei Schul- und Arbeitsunfällen und tätlichen Auseinandersetzungen muß der Zahnunfall dokumentiert werden. Nur durch gut dokumentierte zahnärztliche Untersuchungen können ein Schaden oder ein eventueller Folgeschaden auf den Unfall zurückgeführt werden. Nur dann können die hohen Kosten für z.B. Zahnersatz den Versicherungsträgern, Unfallverursachern usw. auferlegt werden.

Zahnunfall: Ein Zahn ist ausgeschlagen (Avulsion)

Dies ist die schlimmste Zahnverletzung, für den Zahn besteht höchste Gefahr. Grundsätzlich können ausgeschlagene Zähne zurückgepflanzt werden und wieder normal einwachsen. Allerdings darf ein Zahn nicht mehr als 20-30 Minuten trocken sein!

Ausgeschlagene Zähne müssen sofort gesucht und in ein zellverträgliches Medium (SOS Zahnbox oder Dentosafe Zahnrettungsbox) eingegeben werden! Zahnarzt aufsuchen! Der Zahnarzt wird einen ausgeschlagenen Zahn wieder zurücksetzen und schienen.

  • Die Wurzeloberfläche darf nicht austrocknen.
  • Der Zahn muss sofort feucht gehalten werden.
  • Die Wurzeloberfläche darf nicht berührt werden.
  • Die Wurzeloberfläche darf nicht desinfiziert werden.

Wenn keine Zahnrettungsbox vorhanden ist:

  • H-Milch für begrenzte Zeit kann ein ausgeschlagener Zahn in Sterilmilch gelagert werden
  • Kunststoff-Folie: Zahn zum Feuchthalten in Kunststoff-Folie (Gefrierbeutel usw.) einwickeln
  • Isotone NaCl-Lösung vom Apotheker/Arzt – nicht selbst mischen

völlig ungeeignet: normales Wasser, trockene Aufbewahrung, Speichel

Wenn unmittelbar nach einem Zahnunfall keine Zahnrettungsbox zur Verfügung steht und der Zahn mit einer der oben genannten Methoden gerettet wurde: Den Zahn möglichst bald – innerhalb von 30 Minuten – in das Nährmedium der Zahnrettungsbox umlagern! Den Zahn vor Wiedereinpflanzen mindestens 30 Minuten in dem Nährmedium der Zahnrettungsbox aufbewahren!

Wissenschaftliche Untersuchungen an der Universität Gießen haben ergeben, daß die Zellen im Zahnhaltegewebe von Zähnen, die im Medium der Zahnrettungsbox gelagert wurden, in diesem Medium mindestens 24-48 Stunden bei Zimmertemperatur überleben. Trotzdem soll sofort ein Zahnarzt aufgesucht werden, wenn ein Zahn ausgeschlagen ist.

Die Zahnrettungsbox eignet sich auch, um abgeschlagene Zahnbruchstücke zum Zahnarzt zu transportieren. Dieser kann sie mit Spezialkunststoff wieder ankleben. Die Bruchstücke müssen aber feucht gehalten werden.

Die Zahnrettungsbox enthält ein spezielles Zellnährmedium, wie es ähnlich auch beim Organtransport eingesetzt wird. Ein besonderer Zusatz ermöglicht eine Haltbarkeitsdauer von 3 Jahren bei Zimmertemperatur. Die Zahnrettungsboxen sind in Deutschland in Apotheken sowie in Österreich und der Schweiz erhältlich.

Zahnunfall: Was passiert nach dem Zurückplanzen eines ausgeschlagenen Zahnes (Replantation)?

Zahnhalteapparat – physiologische Rettung

Ist der Zahn richtig gerettet worden, bleiben die spezialisierten Zellen in der Wurzelhaut, die für die Wiederanheftung der Fasern verantwortlich sind, am Leben: der Zahn heilt mit normalem Zahnhalteapparat ein und funktioniert wie vorher auch. In der Zahnrettungsbox bleiben diese äußerst wichtigen Zellen bei Zimmertemperatur über mindestens 1-2 Tage am Leben.

Zahnhalteapparat – unphysiologische Rettung

Ist der Zahn unphysiologisch gerettet worden, sterben die spezialisierten Zellen in der Wurzelhaut ab. Dies passiert bereits nach 15-30 Minuten, wenn der Zahn trocken aufbewahrt wird. Das Aufbewahren in Milch, Kochsalz, Plastiktüten oder Speichel verlängert diese Zeit nur unwesentlich – trotz feuchtem Aufbewahren sterben die Zellen ab. Es sind nicht mehr ausreichend Zellen vorhanden, die den Zahn regulär wieder in seinem Knochenfach verankern können. Der Zahn wird vom Körper als etwas Fremdes angesehen. Der umgebende Knochen wächst direkt an den Zahn heran (Ankylose). Nach und nach wird der Zahn aufgelöst (resorbiert) und abgebaut, der Zahn geht nach Monaten bis wenigen Jahren verloren.

Im Wachstumsalter (Kinder, Jugendliche) wächst in der Region eines ankylosierten Zahnes der Alveolarknochen nicht mehr weiter. Der Zahn “bleibt zurück”, während die Nachbarzähne mit dem Knochen zusammen weiterwachsen. Der ankylosierte Zahn muss ggf. vorzeitig entfernt werden.

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