Es ist schnell passiert: das Kind badet im Planschbecken, rutscht aus und taucht mit dem Kopf unter. Im besten Falle sind die Eltern sofort zur Stelle und ziehen das Kind aus dem Wasser. Es prustet und hustet; das Kind hat etwas Wasser verschluckt. Der Schreck sitzt tief. Häufig sind diese Situationen harmlos. Dennoch gehört Ertrinken zu den häufigsten unfallbedingten Todesursachen bei Kindern im Alter bis 15 Jahren. Und bei Babys können bereits wenige Zentimeter Wasser in einer Pfütze, einem Eimer oder der Badewanne lebensgefährlich sein.
Das Element Wasser hat für viele Kinder eine große Anziehungskraft. So lauern selbst im Alltag große Gefahren. Während Kleinkinder vor allem in der direkten häuslichen Umgebung wie Badewannen oder Gartenteichen verunglücken, ertrinken ältere Kinder häufiger in Schwimmbädern oder offenen Gewässern.
Das Wichtigste in Kürze
- Kinder ertrinken lautlos und schnell: Sie schreien nicht und strampeln kaum. Stille im Wasser ist ein Alarmzeichen.
- Niemals unbeaufsichtigt lassen: Eine erwachsene Person muss Kinder im und am Wasser lückenlos beaufsichtigen – auch mit Schwimmhilfen.
- Kind nach Wasserunfall beobachten: Auch wenn es dem Kind gut zu gehen scheint, ist eine aufmerksame Beobachtung in den Stunden danach wichtig. Bei auftretendem Husten oder Atemproblemen sofort zum Arzt.
- Im Notfall sofort 112 rufen: Zögern Sie nicht, den Notruf zu wählen, und beginnen Sie sofort mit Erste-Hilfe-Maßnahmen.
Inhaltsverzeichnis
Die stille Gefahr: Warum Kinder lautlos ertrinken
Was viele Eltern zudem nicht wissen: Kinder ertrinken nicht laut schreiend und um sich strampelnd, wie man vielleicht aus dem Fernsehen kennt. Gerade kleinere Kinder ertrinken leise und daher oft unbemerkt. Ertrinkende Kinder kämpfen meist nur sehr kurz und unkoordiniert an der Wasseroberfläche, bevor sie leise und oft unerwartet schnell untergehen. Da ertrinkende Kinder so schnell und still untergehen, sieht es für einige Eltern aus, als würde das Kind tauchen.

Dieses stille Ertrinken ist vermutlich auch der Grund dafür, dass sich in vielen Fällen die Eltern in unmittelbarer Nähe aufhalten, ohne die lebensbedrohliche Situation sofort als solche zu erkennen.
Woran erkennt man ein ertrinkendes Kind?
Ertrinkende Kinder sehen aus, als ob sie im Wasser treten würden. Sie haben häufig einen glasigen Blick und beschleunigte Atmung. Generell gilt: Kinder machen beim Toben und Spielen im Wasser immer Lärm. Sobald es also still wird, ist Vorsicht geboten. Da Kinder sich, besonders falls sie noch nicht schwimmen können, schlecht alleine über Wasser halten können, rufen die wenigsten Kinder um Hilfe.
Ertrinken bei Kindern zeigt sich zusätzlich anders als bei Erwachsenen. Kinder haben einen sogenannten Eintauchreflex, das heißt: sobald das Gesicht mit kaltem Wasser in Berührung kommt, wird automatisch der Atem angehalten. Dieser nützliche Reflex verhindert bestenfalls, dass Wasser in die Lunge eindringen kann. Er bietet jedoch keinen verlässlichen Schutz vor dem Ertrinken und seine Bedeutung wird in der Laienliteratur oft überschätzt.
Wenn das Kind jedoch nicht schnell genug wieder an die Oberfläche kommt, fällt der Blutdruck und der Herzschlag verlangsamt sich. Nach kurzer Zeit unter Wasser kommt es irgendwann zu spontaner Atmung; so wird Wasser eingeatmet und gelangt in die Lunge. Dies führt durch den Sauerstoffmangel schnell zum Bewusstseinsverlust und anschließend zum Atemstillstand. Krampfanfälle können als späte Folge des Sauerstoffmangels auftreten.
Erste Hilfe im Notfall: Schritt für Schritt retten

Wie in allen Notsituationen ist es in erster Linie wichtig, Ruhe zu bewahren. Im Falle des Ertrinkens sollte man wie folgt vorgehen:
Schritt 1: Alarmieren und Eigenschutz beachten
- Sofort 112 rufen oder andere Personen damit beauftragen
- Niemals sich selbst in Gefahr bringen – nur retten, wenn man sicher schwimmen kann
- Bei kleinen Gewässern (Planschbecken) das Kind einfach herausheben
Schritt 2: Kind aus dem Wasser retten
Bei bewusstem Kind:
- Den Achselschleppgriff anwenden: Von hinten nähern, beide Arme unter den Achseln des Kindes hindurch schlingen
- Mit den Beinen zum Ufer schwimmen
- Beruhigend auf das Kind einreden
Bei bewusstlosem Kind:
- Von hinten beide Hände unter das Kinn des Kindes legen
- Den Kopf über Wasser halten
Schritt 3: Zustand prüfen
- Kind ansprechen: „Kannst du mich hören?“
- Atmung kontrollieren: Hebt und senkt sich der Brustkorb?
- Bewusstsein prüfen: Reagiert das Kind auf Ansprache?
Schritt 4: Maßnahmen an Land
Wenn das Kind bei Bewusstsein ist und atmet:
- Nasse Kleidung ausziehen
- In warme Decken wickeln
- Langsam aber stetig aufwärmen
- Auch bei scheinbar gutem Zustand zur Abklärung ins Krankenhaus bringen
Wenn das Kind bewusstlos ist oder nicht atmet:
- Sofort Wiederbelebungsmaßnahmen starten
- Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzdruckmassage
- Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes fortsetzen
Wichtig: Das Kind niemals schütteln oder mit den Beinen nach oben hochziehen! Nicht versuchen, Wasser aus der Lunge herauszupumpen.
Nach der Rettung: Warum Beobachtung entscheidend ist

Nach einem Wasserunfall ist es wichtig, das Kind sorgfältig zu beobachten und angemessen zu reagieren. Die Einschätzung erfolgt dabei anhand der Symptome direkt nach dem Vorfall.
Kind hat nach der Rettung deutliche Symptome
Ein Kind, das stark oder anhaltend hustet, schwer oder schnell atmet, verwirrt oder sehr schläfrig ist, benötigt sofort ärztliche Hilfe. Diese Symptome können auf Wasser in der Lunge hinweisen, was zu Problemen mit der Sauerstoffaufnahme führen kann. Eine medizinische Beobachtung im Krankenhaus über 4-6 Stunden ist hier üblich, um sicherzustellen, dass sich der Zustand des Kindes nicht verschlechtert.
Kind hat nur milde, schnell abklingende Symptome
Ein Kind, das nach dem Auftauchen kurz prustet und hustet, zeigt eine gesunde und normale Schutzreaktion des Körpers. Wenn dieser Husten schnell wieder vollständig aufhört und sich das Kind danach sofort wieder völlig normal verhält, ist die Situation meist harmlos. Dennoch sollte es von den Eltern sicherheitshalber aufmerksam für die nächsten 2-3 Stunden beobachtet werden. Treten weitere Symptome auf oder verschlechtert sich der Zustand, ist ein Arzt aufzusuchen.
Kind ist nach dem Vorfall komplett symptomfrei
Ein Kind, das nach kurzem Untertauchen völlig normal ist, keine Atembeschwerden hatte und sich normal verhält, ist laut medizinischem Konsens nicht ertrunken. Solche Kinder benötigen keine besondere medizinische Überwachung, sollten aber wie nach jedem Unfall mit Aufmerksamkeit betreut werden.
Checkliste: Worauf du in den Stunden nach dem Vorfall achten musst
Wenn sich der Zustand deines Kindes nach anfänglich milden Symptomen verschlechtert oder neue Anzeichen auftreten, ist ärztliche Hilfe erforderlich. Achte in den ersten Stunden besonders auf:
- Anhaltender oder zunehmender Husten
- Schwere oder beschleunigte Atmung
- Verfärbte Lippen (bläulich)
- Ungewöhnliche Müdigkeit oder Teilnahmslosigkeit
- Brustschmerzen
- Fieber
Bei diesen Symptomen sollte unverzüglich ein Krankenhaus aufgesucht werden.
Prävention: So schützt du dein Kind vor dem Ertrinken
Der Gedanke, dass das eigene Kind ertrinken könnte ist erschreckend. Damit man nicht in diese Situation kommt, gibt es einige Dinge, die man beachten sollte:
- Babys sollten sich nie unbeobachtet in der Badewanne aufhalten. Selbst Baby-Badewannen sind hier keine Ausnahme!
- Kinder sollten sich niemals unbeaufsichtigt in der Nähe von Gewässern (wie Seen, dem Meer oder einem Teich) sowie Schwimmbädern aufhalten. Genau so ist Vorsicht bei gefüllten Regentonnen geboten: selbst hier können Kinder unter Umständen ertrinken!
- Gerade im Meer können nicht nur Kindern sondern auch erfahrene Schwimmer die Strömung oder den Wellengang schnell unterschätzen.
- Selbst mit Schwimmhilfe können Kinder unter Umständen ertrinken!! Kinder können „kippen“ und beispielsweise mit dem Kopf unter Wasser geraten.
- Auch aufblasbare Spielzeuge (wie Delfine oder Schwimmringe etc.) sind keine Hilfe vor Ertrinken!
- Kindern sollte möglichst früh das Schwimmen beigebracht werden und auch regelmäßig geübt werden. Gerade Schwimmanfänger brauchen viel Übung, um alles Gelernte zu verinnerlichen.

Kindern sollte möglichst früh das Schwimmen beigebracht werden, um ihre Sicherheit im Wasser zu erhöhen. - Das Seepferdchen bedeutet nicht, dass ein Kind sicher schwimmen kann. Laut DLRG verlässt ein erheblicher Teil der Kinder die Grundschule, ohne sicher schwimmen zu können.
- Bei einer Bootsfahrt sollten Kinder immer Schwimmwesten anziehen.
- Falls man einen eigenen Pool besitzt, sollte dieser unbedingt eingezäunt sein!

Ein nach Vorschrift installierter Sicherheitszaun ist für Poolbesitzer die wichtigste Maßnahme zur Prävention von Ertrinkungsunfällen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie schnell ertrinken Kinder? Ertrinken geht blitzschnell und lautlos, oft in nur 20 bis 30 Sekunden, nachdem ein Kind unter Wasser geraten ist. Deshalb ist eine lückenlose Beaufsichtigung so überlebenswichtig.
Gibt es „trockenes“ oder „zweites Ertrinken“ wirklich? Nein. Laut internationalen Gesundheitsorganisationen wie dem Roten Kreuz sind dies veraltete und medizinisch nicht anerkannte Begriffe. Ein Ertrinkungsunfall liegt nur vor, wenn eine Person Atembeschwerden durch den Kontakt mit Wasser erleidet. Ein Kind, das nach einem Wasserunfall völlig normal ist und keine Symptome zeigt, ist nicht von einem „verzögerten Ertrinken“ bedroht.
Reicht das Seepferdchen-Abzeichen für die Sicherheit aus? Nein. Das Seepferdchen ist ein erster Schritt, aber es bedeutet nicht, dass ein Kind sicher schwimmen kann. Gerade junge Schwimmanfänger ermüden schnell und können in Panik geraten. Sie benötigen weiterhin aktive Aufsicht.
Warum sind Schwimmflügel keine sichere Schwimmhilfe? Schwimmflügel sind Spielzeug und keine Lebensrettungsmittel. Kinder können damit vornüberkippen und mit dem Kopf unter Wasser gelangen oder herausrutschen. Nur zertifizierte Schwimmwesten bieten einen echten Schutz.
Medizinische Quellen und Leitlinien
- DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft): Prävention und Fakten zum Ertrinken
- BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung): Gefahrenquelle Wasser und Prävention bei Kindern
- DRK (Deutsches Rotes Kreuz): Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Säuglingen und Kleinkindern
- Amboss (Medizinisches Nachschlagewerk für Ärzte): Fachartikel Ertrinken (als Referenz für die physiologischen Details)
- American Red Cross: Debunking the Existence of Dry or Delayed/Secondary Drowning (als Beleg für die Neubewertung des Themas)

